30 Aug
30Aug

Man darf zwar alles sagen. Aber man muss mit den sozialen Konsequenzen leben. Siehe Dieter Nuhr: https://t1p.de/zyh3t . Wer in die Öffentlichkeit will oder in der Öffentlichkeit steht, hat automatisch Vorbildfunktion. An Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, dürfen daher auch in Sachen Humor strengere Maßstäbe angelegt werden als an Privatpersonen. Mit anderen Worten: sobald ich mich auf den Markplatz stelle und Gedanken öffentlich artikuliere, habe ich eine andere Position und Situation als daheim am Küchentisch. Der Ton macht die Musik. Fäkalwörter rauszuschleudern, noch dazu ohne Zusammenhang, ist per se nicht lustig: Das ist Kleinkindniveau. 

Das Wort „Pipikacke“ ist nur deswegen niedlich, weil die Person, die es sagt, unter 5 Jahre alt ist und damit per se niedlich wirkt – egal, was das Kind so sagt. Comedians sind aber in der Regel über 18. Wer als Erwachsener also auf diesem Niveau lustig sein will, ist bestenfalls albern. – Aber nicht witzig. Unverschämtheit erscheint mitunter als "das neue Normal". Aber unverschämt an sich ist nicht lustig. Humor braucht nämlich kognitive Dissonanz, braucht logische, semantische Widersprüche , um zu wirken. Natürlich darf man Witze über „marginalisierte Gruppen“ machen. Die besten Polenwitze hört man in Polen. Die besten Judenwitze werden von Juden erzählt. An der Stelle übrigens haben wir Deutschen ein historisch begründetes Problem. Man muss hier klar unterscheiden zwischen den "sogenannten " Judenwitzen: gehässig, strafbar, widerlich. - Diese widerlichen "Witze" stehen denjenigen Judenwitzen gegenüber, in denen der Rabbi, das Kind, die Mutter und natürlich der Hund vorkommen - das sind Witze, die die kulturellen Besonderheiten spiegeln.

Wir können es uns angesichts unserer Geschichte einfach nicht leisten, Judenwitze  zu erzählen. Daraus wird sich möglicherweise auch die Haltung entwickelt haben, überhaupt keine Witze über Randgruppen mehr zu machen. Was gleichermaßen falsch wie schade ist. Es gibt so herrliche Behindertenwitze. Allerdings kommt es beim Erzählen auf die Haltung an: Nehme ich den Behindertenwitz, um meine Hassrede gegen Behinderte zu würzen? Oder streue ich einen Behindertenwitz ein, um gleich danach einen Beamtenwitz oder einen Blondinenwitz zu machen? - Und wer definiert eigentlich eine Randgruppe?

Für Humor gibt es handwerkliche Regeln (Punchline, kognitive Dissonanz etc.). Man kann auch schlüpfrig oder diskriminierend sein. Aber der Zusammenhang entscheidet, ob man dabei bösartig, albern oder komisch ist. Ein recht guter Maßstab für Humor ist übrigens, ob der Erzähler nur (bösartige) Witze über andere macht (Oliver Pocher) oder ob er auch über sich selber lachen kann (Mario Barth). Dadurch wird nämlich die bissige Pointe im Zusammenhang wieder relativiert und der Humor tritt umso deutlicher hervor. - Glücklicherweise gibt es genügend Witzemacher, die das noch können (M. Gruber, D. Nuhr, M. Barth, M. Mittermeier, T. Sträter).

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